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Idee > Symbol > Wirklichkeit: Werterfüllung

Reihe von Dr. phil. Michael Weiss / Winter 2002

In meinem letzten Beitrag zu dieser Rubrik philosophierte ich über Werterfüllung, und darüber wie sie von jeder/ jedem erreicht werden kann. Es ging um die Realisierbarkeit von Ideen, um den Symbolcharakter, den sie im Außen tragen, und um das dadurch notwendige Konstruieren der Wirklichkeit eines Individuums. Ich kam zu dem Schluss: Jeder Mensch erschafft seine/ ihre eigene Wirklichkeit.

Nun soll aber diese Aussage keine Aufforderung zum - oder Rechtfertigung des Egoismus sein. Ganz im Gegenteil:

Welche Rollen spielen Um-welt und Mit-menschen in Bezug auf die eigene Wert-erfüllung, die eigene Wirklichkeit?

Eine wichtige Frage, die bis zu den Wurzeln unserer moralischen Gesinnung vordringt. Meine Assoziationen dazu, möchte ich im Folgenden näher ausführen:

Ge-stalten = Ent-falte

Die Gestaltung der Wirklichkeit ist die Entfaltung des Individuums. Der Mensch konstruiert seine/ ihre Welt. Wenn der Mensch aber alles konstruiert, bringt er somit sein DU, sein Gegenüber selbst hervor? Erschafft er nicht nur die Beziehung zu diesem, sondern auch das DU? Stimmt das, so habe ich keine Mitmenschen. Ich habe nur die Vorstellung von ihnen. Die Konsequenz daraus: Nur ich und die von mir erzeugten Phantasien existieren wirklich.

Allerdings ist dieser Schluss nicht ganz richtig, da er auf einem Paradoxon gründet, welches schon von Heinz v. Foerster* beschrieben wurde:

Einerseits erschaffe ich die Welt, die ich wahrnehme, in meinem Kopf. Die Welt ist in mir, in meinem Bewusstsein. Andererseits nehme ich aber genau dieselbe Welt außerhalb meines Kopfes, außerhalb meines Bewusstseins wahr. Kurz: Auf der einen Seite ist die Welt in meinem Gehirn, auf der anderen befindet sich aber dieses in der Welt. Ist nun die Welt auf mein Bewusstsein bezogen, bin ich das Zentrum, oder beziehe ich mich doch auf die Welt?

Die Antwort darauf ist: Wenn ich behaupte, alle Mitmenschen sind von mir erschaffen, so könnte einer meiner Freunde mit Recht behaupten, dass das nicht stimmt, denn alle Lebewesen seien ja von ihm hervorgebracht! Heinz v. Foerster* meint dazu: "So wird mein solipsistischer Standpunkt unhaltbar, sobald ich ein weiteres autonomes Lebewesen neben mir erfinde." (S. 58)

Ein ICH und seine/ ihre Vorstellungen genügen nicht, um Wirklichkeit vollständig zu be-schreiben.

Um-welt = Re-aktion

Um-welt ist die Welt, wie ich sie er-lebe. Umwelt ist so beschaffen, dass sie widerspiegelt, was ich denke. Jede Situation, in der ich mich befinde, beurteile ich. Jede Situation, in der ich mich befinde, reflektiert meine beurteilenden Gedanken.

Durch mein Handeln verändere ich die Welt (wenn auch manchmal nur in kleinen Schritten). Diese Veränderung spiegelt mein Tun wider.

Ein Gedanke spiegelt sich in der darausfolgenden Handlung, jede Handlung spiegelt sich in der er-lebten Welt. Der Gedanke trägt eine formulierte Idee in sich, die Handlung ist der Ausdruck davon. Jeder Ausdruck prägt die Umwelt; sie ist die gestaltete Wirklichkeit.

Die Umwelt reagiert auf jede zum Ausdruck gebrachte Idee. Meine Mitmenschen reagieren auf mein Verhalten.

Zum einen habe ich die Möglichkeit, zu beobachten, auf welche Weisen sich eine Idee symbolisieren und entfalten lässt. Zum anderen lerne ich, wie ich meine Gedanken am besten vermittle, wie ich sie am besten in meiner Umwelt formuliere, um durch die Resonanz derselben auf das

WIE meiner vermittelten Ideen schließen zu können.

Es ist das WIE der Beziehung zwischen mir und meinen Mitmenschen, das WIE der Beziehung zwischen meinen Ideen und meiner Umwelt, welches Werterfüllung erst ermöglicht.

  1. *Heinz v. Foerster, Das Konstruieren einer Wirklichkeit, in : Die erfundene Wirklichkeit, Hrsg. Paul Watzlawick, 1981 Piper Verlag GmbH , München
  2. **Alexander Ulfig, Lexikon der philosophischen Begriffe, 1997, Fourier Verlag GmbH, Wiesbaden

Bei Fragen, Anregungen oder Einwänden würde ich mich über ein Kommentar sehr freuen!

Dr. phil. Michael Noah Weiss

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